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Was wir im Wald über uns selbst lernen können

Der Wald ist mein Erholungsort Nummer 1. Dort kann ich entspannen, die gute Luft einatmen und die Atmosphäre auf mich wirken lassen, sodass sich mein Nervensystem regulieren kann. Neben den stressreduzierenden Effekten, können wir vom Wald aber noch weiteres haben: Wir können etwas über uns selbst lernen.

Der Wald als Spiegel unserer Seele

Neulich war ich im Kermeter unterwegs. Eines meiner Lieblingswaldgebiete hier in der Eifel. Ich war sehr früh dran und ganz alleine. Es lag ein leichter Nebel zwischen den Bäumen und Vögel zwitscherten ihr Morgenlied. Ein leichter Wind ließ die Blätter rascheln. Alles fühlte sich frisch und klar an. Das genieße ich sehr. Nur der Wald und ich.

Da wurde mir wieder klar, dass der Wald für mich so viel mehr ist, als ein Erholungsort. Hier erfahre ich Stille, hier bin ich präsent. Hier ist nichts, was mich von meinen Gefühlen ablenkt. Hier fasse ich klare Gedanken und gelange oft zu Selbsterkenntnissen oder auch nichts davon, absichtsloses Sein.

Die Kraft der Stille – Wenn der Lärm in uns leiser wird

Wann hast du das letzte Mal Stille erlebt? Wie ist es, wenn alle äußerlichen Geräusche abwesend sind? Anstatt Stille rauscht es, klingelt es, summt und brummt es. Manchmal denke ich, dass ich neben einer Autobahn stehe. Je mehr ich versuche, diese Geräusche auszublenden, umso mehr nehme ich sie wahr. Ein Grundrauschen, dass ich nicht so richtig loswerde.

Bei vielen von uns, ist Stille selten geworden. Stille kann beängstigend sein, weil man nicht weiß, was wir uns selbst mitteilen wollen, oder insgeheim wissen, was schiefläuft und wir das aber verdrängen wollen. Stille ist nicht einfach. Und manchmal braucht man auch Mut, um sich auf Stille einzulassen.

Im Wald fällt es mir viel leichter, mich darauf einzulassen. Die Bewegung und die stressreduzierenden Effekte regulieren mein Nervensystem, sodass ich mich gelassener darauf einlassen kann, was ich meinem Kopf los ist. Ich kann spüren, wie der Lärm in meinem Kopf weniger wird, wie mein Kopf-Radio leiser wird.

Der Lärm in unserem Kopf hat eine schlechte Eigenschaft: Er lenkt uns von unseren Gefühlen ab! Je lauter das Rauschen um so weniger fühlen wir uns selbst. Der Lärm trennt uns von uns selbst. 

Die Kunst ist es, bei sich zu bleiben. Dabei kann der Wald helfen. Hier fällt es leichter, das Radio verstummen zu lassen und sich selbst zu fühlen. Wenn wir wieder wissen, wie sich das anfühlt, können wir es in den Alltag integrieren.

Der Rhythmus der Natur – Vertrauen ins eigene Tempo

Etwas, was ich aus der Natur übernommen habe, ist der Rhythmus der Jahreszeiten. Wir sind mitten im Herbst und ich freue mich auf die Zeit zu Hause, auf gemütliches Kuscheln auf dem Sofa, auf wärmende Teetassen in den Händen und auf weniger im Außen sein. Dem Verlauf der Jahreszeiten können wir vertrauen, jedes Jahr zur etwa selben Zeit können wir die typischen Wetterzeichen wahrnehmen. Wir sind uns sicher, dass es immer wieder passieren wird – manchmal früher, manchmal später, aber wir vertrauen darauf, dass der Herbst kommt, wenn es Zeit für den Herbst ist.

Wie wäre es, wenn wir uns das aus der Natur auch wieder für uns aneignen? Jede von uns hat ihr eigenes natürliches Tempo, ihren eigenen Rhythmus (Periode 😉) Wie sieht mein Leben aus, wenn ich meinem eigenen Tempo vertraue? Wie erkenne ich überhaupt mein eigenes Tempo? Und wie lerne ich wieder, mir selbst zu vertrauen?

Wenn wir von Tempo und Rhythmus sprechen ist auch der Vergleich nicht weit weg. Denn das ist es doch, was uns stresst, dass wir noch nicht da sind, wo andere schon vor 2 Jahren waren, dass es andere viel schneller schaffen (was auch immer.) Vergleich ist der Tod, des eigenen Selbstvertrauens. Niemand außer dir selbst kennt deine Startbedingungen, deine Kapazitäten, deine Fähigkeiten, niemand ist wie du und niemand ist wie wir. Das ist wie mit den Bäumen, kein Baum gleicht dem anderen und jeder Baum muss mit anderen Schwierigkeiten zurechtkommen: Der eine hat weniger Licht zum Wachsen, der andere wird von einem Pilz befallen und ein dritter steht auf dem Speiseplan von Rehen. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, einen kleineren Baum dafür zu beschuldigen, dass es noch nicht so groß ist wie die anderen. (Wie absurd sich das anhört!) Da habe ich Verständnis oder Mitgefühl, weil er es wahrscheinlich schwierig hatte. Das können wir direkt auf uns Menschen übertragen: Auch wir Menschen sind alle unterschiedlich und dennoch leben wir in einem ständigen Vergleich, weil wir alle gleich sein wollen.

Verwurzelung und Standfestigkeit – Innere Stärke finden

Bäume verbringen ihr ganzes Leben an einem Ort. Sie haben keine Wahl als sich dort zu verwurzeln, wo sie sind. Je stärker verwurzelt, um so stärker nehme ich sie wahr. Wenn ich eine Buche sehe, die mehrere Hundert Jahre alt ist, dann spüre ich ihre Stäke, dann kann ich wahrnehmen, dass sie einige Stürme ausgehalten hat und dennoch oder eben deswegen standfest geworden ist. Eine alte Buche kann so schnell nichts umhauen.

So ist das bei den Menschen doch auch. Wenn sie einen unfruchtbaren Boden zum Wachsen hatten, dann war es schwierig mit dem Verwurzeln und der Widerstandskraft.

Auch bei den Bäumen gibt es Kandidaten, die es schwerer haben als andere, die vielleicht mit dem Boden nicht so gut zurecht kommen oder weit weg von ihrer Familie aufwachsen müssen. Und doch werden sie zu großen mächtigen, standfesten Bäumen.

Auch wir Menschen können lernen zu vertrauen. Nicht jeder von uns hat gute Startbedingungen, nicht jede von uns als ein nährendes Umfeld. Aber wenn wir in den Wald gehen, dann können wir dort sehen, dass es möglich ist.

Wandel und Loslassen – Der Wald als Lehrer der Veränderung

Wann, wenn nicht im Herbst können wir etwas über das Loslassen lernen? Die Bäume zeigen sich in schönster Farbenpracht bevor sie sich für den Winter zurückziehen. Von ihnen können wir lernen, dass es okay ist, Pause zu machen, Altes abzuschütteln, Ressourcen zu schonen und sich auszuruhen, um dann, wenn es Zeit ist, wieder zu erblühen, zu wachsen und sich zu zeigen.

Verbundenheit – Wir sind Teil eines größeren Ganzen

Kennst du das Gefühl, wenn du im Sommer bis in die Nacht draußen bist und lange in die Sterne guckst? Irgendwann realisiere ich dann, dass ich nur ein winzig kleiner Teil des Großen Ganzen bin und alles zusammen eine Einheit ist.

Ein ähnliches Gefühl habe ich im Wald. Dort fühle ich auch, dass ich Teil der Natur bin, dass sich meine Ich-Zentriertheit auflöst und ich Teil des Ganzen bin. Ich selbst werde ein wenig unbedeutender, aber ich fühle mich mehr verbunden. Wenn ich durch den Wald gehe und mich auf die Geräusche und Gerüche einlasse, meine Gedanken schweifen lasse und weniger im Kopf bin, dann gehöre ich dazu. In diesem Moment bin ich Teil des Waldes.

Diese Verbundenheit beruhigt mich und die Dinge im Außen werden weniger wichtig.

Fazit – Der Wald als Ort der Rückkehr zu uns selbst

Was wir auch immer im Wald suchen – wir werden es finden. Der Wald gibt uns immer das, was wir gerade brauchen, ohne dass wir uns vorher ein Konzept oder einen Grund überlegen müssen.